AnkER-Zentren vs. dezentrale Unterbringung – Was Sozialarbeit braucht, um wirksam zu sein

Der Ort macht den Unterschied – warum Unterbringung kein Nebenschauplatz ist 🏠🧭

Wo und wie geflüchtete Menschen untergebracht werden, beeinflusst nicht nur ihren Alltag – sondern auch die Qualität und Möglichkeiten der Sozialarbeit. Während AnkER-Zentren (Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentren) zentralisierte Strukturen und gebündelte Verfahren bieten sollen, setzt die dezentrale Unterbringung auf Integration vor Ort. Beide Modelle haben Konsequenzen: für Schutz, Teilhabe, psychisches Wohlbefinden – und für den Handlungsspielraum sozialer Fachkräfte. Der Artikel zeigt, welche Stärken und Schwächen beide Systeme mit sich bringen – und was Sozialarbeit braucht, um unter realen Bedingungen wirklich wirksam zu sein.

Was sind AnkER-Zentren – und was bedeutet „dezentral“? ✅

ModellKernaussagen & Rahmenbedingungen
AnkER-ZentrenGroße zentrale Einrichtungen, meist in Randlagen, mit mehreren Hundert bis Tausend Personen; Bündelung von BAMF, Ausländerbehörde, Sozialdienst, Rückführung vor Ort
Dezentrale UnterbringungUnterbringung in Wohnungen oder kleineren Einrichtungen, meist verteilt über Kommunen und Landkreise, Zuständigkeit bei Kommunen

💡 AnkER-Zentren zielen auf Effizienz und Kontrolle – dezentrale Unterbringung auf Integration und Normalität.

Auswirkungen auf Sozialarbeit – mehr als nur ein Arbeitsort 🧠

AspektIn AnkER-ZentrenIn dezentraler Unterbringung
Fallzahl & BetreuungsschlüsselSehr hoch, kaum Einzelfallarbeit möglichGeringer, individueller Kontakt wahrscheinlicher
Zugang zu Klient:innenNiedrigschwellig – aber oft unstrukturiertAufsuchende Arbeit nötig, dafür oft stabilere Beziehung
Dauer der BegleitungKurzfristig, oft hoher Wechsel, geringe KontinuitätLängerfristige Begleitung möglich
Fokus der ArbeitVerfahrensinformation, Konfliktmanagement, AkutversorgungIntegration, Vernetzung, Empowerment
Strukturelle ArbeitsbedingungenHoher Druck, teils unsichere Rollen, wenig SelbstwirksamkeitStärkere Einbindung in kommunale Strukturen, Kooperation mit Regelangeboten

💡 Sozialarbeit ist im AnkER-System oft reaktiv – in dezentralen Strukturen kann sie proaktiv gestalten.

Herausforderungen für Sozialarbeit in AnkER-Zentren ⚠️

ProblemfeldKonsequenz für Fachkräfte & Klient:innen
Hohe Bewohner:innenzahlGeringe Beziehungsqualität, kaum individuelle Förderung
Kurze VerweildauerKeine nachhaltige Arbeit möglich, keine Nachsorge
Repressive Strukturen (z. B. Ausreisepflicht, Polizeipräsenz)Vertrauensverlust, hohe psychische Belastung
Konfliktträchtiges UmfeldViel Krisenintervention, wenig langfristige Ressourcenarbeit
Fehlende PrivatsphäreKeine geschützten Räume für Beratung und Beziehungsgestaltung

💡 Viele Sozialarbeiter:innen in AnkER-Zentren berichten von „Verwaltung von Verzweiflung“ statt echter sozialer Arbeit.

Potenziale & Grenzen dezentraler Unterbringung 🌱

StärkeMögliche Hürde
Nähe zum Alltag & zur GesellschaftSozialräume müssen vorbereitet & zugänglich sein
Kooperation mit lokalen AngebotenAbhängigkeit von kommunalen Ressourcen & Netzwerken
Langfristigkeit der BetreuungErfordert stabile Finanzierung und Personalbindung
Geringere AnonymitätPersönlichere Begleitung möglich – aber ggf. auch größere Fallvielfalt
Integration ab Tag 1Politisch nicht überall gewollt oder gefördert

💡 Dezentrale Unterbringung entfaltet ihre Stärke erst dann, wenn sie eingebettet ist in gut ausgebaute Sozialräume und Netzwerkstrukturen.

Was Sozialarbeit wirklich braucht, um wirksam zu sein 🛠️

GrundlageWas das konkret bedeutet
Verlässliche personelle RessourcenAusreichende Stellen, gute Betreuungsschlüssel, Fortbildung
Strukturierter Rahmen für BeziehungRäume, Zeitfenster, Schutz für sensible Gespräche
Klare Rolle & AbgrenzungKeine Vermischung mit Sicherheits- oder Verwaltungsaufgaben
Interdisziplinäre ZusammenarbeitKooperation mit Medizin, Schule, Behörden, Ehrenamt
Beteiligung & MitgestaltungBewohner:innen als aktive Partner:innen der Hilfe
Supervision & emotionale EntlastungReflektion, Burnout-Prävention, Teamentwicklung

💡 Wirksame Sozialarbeit beginnt dort, wo Fachkräfte nicht nur reagieren – sondern gestalten können.

Nicht der Ort entscheidet allein – aber er prägt alles 🌍🤝

Die Frage „AnkER-Zentrum oder dezentral?“ ist keine reine Verwaltungsentscheidung – sie ist eine Frage der Haltung gegenüber geflüchteten Menschen. Zentralisierte Massenunterbringung macht Sozialarbeit zur Schadensbegrenzung, dezentralisierte Ansätze ermöglichen Entwicklung und Teilhabe. Klar ist: Egal wo Sozialarbeiter:innen tätig sind – sie brauchen klare Strukturen, tragfähige Beziehungen, fachliche Freiheit und Schutz vor Überlastung. Nur dann können sie das leisten, was soziale Arbeit ausmacht: Menschen stärken – im System und darüber hinaus.

✔ AnkER-Zentren erschweren Beziehungsarbeit und individuelle Begleitung
✔ Dezentrale Unterbringung bietet mehr Spielraum – braucht aber kommunale Stärke
✔ Gute Sozialarbeit braucht Zeit, Raum, Kontinuität und Haltung
✔ Politisch braucht es einen Paradigmenwechsel: vom Verwalten hin zum Integrieren

Matthias Böhm
Matthias Böhm
Matthias engagiert sich in der sozialen Integration, unterstützt Menschen in schwierigen Situationen und fördert das Verständnis zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Sein Ansatz ist einfühlsam und zielgerichtet, wobei er besonders darauf achtet, Menschen zu motivieren und ihre Stärken zu fördern.

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