So bereitest du deine Klient:innen auf die Anhörung vor – mit Fingerspitzengefühl 🗣️

Die Anhörung – ein Tag, der alles verändern kann ⏳⚖️

Für viele Geflüchtete ist die Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) der entscheidende Moment im Asylverfahren. Hier schildern sie ihre Fluchtgründe, ihre Lebensrealität und ihre Angst vor Rückkehr – oft zum ersten Mal ausführlich und unter Druck.

👉 Für Klient:innen bedeutet dieser Termin Stress, Angst, Erinnerungen an traumatische Erlebnisse, Sprachbarrieren, Unsicherheiten.
👉 Für dich als Sozialarbeiter:in heißt das: Begleiten, vorbereiten, stabilisieren – aber auch abgrenzen.

In diesem Artikel erfährst du, wie du deine Klient:innen mit Empathie und Struktur auf die Anhörung vorbereitest, welche Inhalte relevant sind, wie du Unsicherheiten nimmst und warum Fingerspitzengefühl wichtiger ist als Detailwissen.

Die Anhörung beim BAMF – was passiert da eigentlich? 🧾🧑‍⚖️

Die Anhörung (§ 25 AsylG) ist die zentralste und oft einzige Gelegenheit, bei der Geflüchtete ihre Asylgründe ausführlich schildern können.

Ablauf:

SchrittInhalt
1️⃣ EröffnungBegrüßung, Info über Ablauf, Dolmetscher:in stellt sich vor
2️⃣ Persönliche DatenFragen zu Herkunft, Familie, Reiseweg
3️⃣ FluchtgründeWarum ist die Person geflohen? Welche Bedrohung besteht?
4️⃣ Nachfragen & PrüfungPlausibilität, Details, Widersprüche werden hinterfragt
5️⃣ AbschlussFragen zu Beweismitteln, ergänzende Hinweise

📍Dauer: Zwischen 1 und 4 Stunden (manchmal auch länger)
📍Beteiligte: Entscheider:in des BAMF, Dolmetscher:in, evtl. Beistand (z. B. Anwält:in)

💡 Wichtig: Der Inhalt dieser Anhörung entscheidet maßgeblich über den Asylbescheid – eine spätere Korrektur ist nur schwer möglich.

Warum die Anhörung psychisch so belastet 🧠😔

Viele Klient:innen erleben die Anhörung als emotionalen Ausnahmezustand.

Mögliche Belastungen:

  • 🔁 Wiedererleben von traumatischen Ereignissen

  • ❓ Angst vor Fehlern oder Missverständnissen

  • 👮 Misstrauen gegenüber Behörden

  • 🧏 Sprachliche Unsicherheit trotz Dolmetscher:in

  • 📄 Unklarheit über Bedeutung der Aussagen

  • 💭 Schuld- oder Schamgefühle (z. B. bei sexualisierter Gewalt)

💬 Zitat eines Klienten:

„Ich habe alles vergessen in dem Moment – sogar meinen Namen. Ich dachte nur noch: Wenn ich jetzt etwas Falsches sage, werde ich abgeschoben.“

7 Schritte zur Vorbereitung mit Fingerspitzengefühl 🤝✨

Die Vorbereitung ist keine juristische Schulung, sondern eine stabilisierende, strukturierende Unterstützung. Sie soll Klient:innen Sicherheit geben – nicht Druck.

🟢 1. Aufklären, was passiert – ganz konkret

Verwende einfache Sprache, Visualisierungen oder Skizzen.

📌 Beispiel:

„Du wirst in einem Raum sitzen. Jemand vom BAMF fragt dich. Ein:e Dolmetscher:in übersetzt. Du erzählst deine Geschichte. Am Ende wird entschieden, ob du hierbleiben darfst.“

🟡 2. Sagen, was wichtig ist – und was nicht

Hilf dabei, den Fokus zu setzen:

WichtigNicht notwendig
🎯 FluchtgründeAlltägliche Details ohne Relevanz
❗ Angst vor RückkehrLänge der Reise oder Zahl der Geschwister
📆 Zeitpunkte, Orte, NamenGefühlte Erlebnisse ohne zeitliche Zuordnung
🤐 Auch: Schwere Themen (Folter, Gewalt, Sexualität)Nur, wenn Klient:in es möchte und stabil ist

💡 Tipp: „Es ist nicht wichtig, wie gut dein Deutsch ist. Es ist wichtig, dass du ehrlich bist und sagst, was dich bedroht.“

🔵 3. Üben – ohne Druck, mit Schutz

Stelle eine typische Frage:

„Was ist passiert, warum bist du aus deinem Land geflohen?“

👉 Lass Raum, höre zu.
👉 Stoppe, wenn Klient:in überfordert wirkt.
👉 Biete an, nochmal zu wiederholen – aber kein Rollenspiel.

💬 Formulierungshilfe:

„Wenn du willst, können wir das gemeinsam einmal durchgehen – in deinem Tempo.“

🟣 4. Traumasensible Begleitung ermöglichen

Wenn belastende Themen angesprochen werden müssen (z. B. sexuelle Gewalt, Misshandlung), kläre über Möglichkeiten auf:

  • 🧘 kurze Pausen

  • 💬 Formulierung: „Ich möchte darüber nicht im Detail sprechen“

  • 📩 Hinweis auf ärztliche Stellungnahmen oder Nachreichen von Infos

💡 Tipp: Ermutige, zu sagen:

„Ich kann das gerade nicht erzählen – aber ich reiche es später nach.“ (am besten mit Hilfe von Fachberatung/Anwält:in)

🔴 5. Rechte erklären – verständlich und beruhigend

RechtBedeutung
🤝 Recht auf BeistandEine Vertrauensperson oder Anwält:in kann mitkommen
🧏 Recht auf Dolmetscher:inAnspruch auf Sprache, die verstanden wird
📋 Anspruch auf MitschriftProtokoll darf gelesen und korrigiert werden
❗ Kein Zwang zur Aussage zu allen DetailsNur relevante Fluchtgründe sind entscheidend

🟤 6. Nachsorge klären – Vorbereitung endet nicht mit dem Termin

Nach der Anhörung brauchen viele Klient:innen:

  • 🍵 Ruhe

  • 🤲 Gesprächsangebot

  • 📜 Erklärung, was jetzt passiert

  • 🧘 Psychohygiene (z. B. Spazierengehen, Ritual)

⚪ 7. Erklären, was NICHT dein Auftrag ist

Du bist keine Rechtsberatung, keine Anwält:in und kein BAMF-Mitarbeiter.

💡 Formulierung:

„Ich darf dir nicht sagen, was du sagen sollst – aber ich kann mit dir klären, wie du gut für dich sorgen kannst.“

Haltung & Sprache: Du gibst Sicherheit – nicht die Lösung 🌱🗣️

Deine Haltung zählt mehr als jedes Infoblatt:

HaltungWirkung
🤲 AchtsamkeitDu bist präsent – das beruhigt
🧘 LangsamkeitDu hetzt nicht – das schützt
📣 KlarheitDu erklärst, ohne zu verwirren
❤️ MenschlichkeitDu nimmst Angst ernst, ohne sie zu verstärken

💡 Manchmal reicht ein Satz wie:

„Ich bin da. Wir schaffen das gemeinsam.“

Was du NICHT tun solltest – typische Fehler vermeiden ❌⚠️

FehlerWarum problematisch?
🗯️ Zu viel reden, zu wenig fragenNimmt Handlungsspielraum
🧑‍⚖️ RollenverwechslungDu bist nicht das BAMF oder die Anwält:in
📜 Vollständigkeit einfordernÜberfordert, triggert
⏱️ ZeitdruckVerstärkt Angst, macht stumm
🧩 Fakten drillenKann retraumatisierend wirken

Vorbereitung mit Herz und Haltung 💞🧭

Die Anhörung ist für viele Klient:innen ein Wendepunkt – und du bist oft die einzige Person, die ihnen hilft, sich darauf innerlich vorzubereiten.

Deine Aufgabe ist nicht, die perfekte Geschichte zu liefern.
Deine Aufgabe ist, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem Menschen spüren:

„Ich darf ehrlich sein – und ich bin nicht allein.“

✅ Auf den Punkt gebracht:

✔️ Die BAMF-Anhörung ist ein zentraler Schritt im Asylverfahren
✔️ Viele Klient:innen sind dabei überfordert oder retraumatisiert
✔️ Sozialarbeiter:innen können durch Struktur, Klarheit und Ruhe stabilisieren
✔️ 7 Schritte helfen bei der sensiblen Vorbereitung im Alltag
✔️ Haltung & Sprache sind entscheidend – nicht juristische Expertise

Matthias Böhm
Matthias Böhm
Matthias engagiert sich in der sozialen Integration, unterstützt Menschen in schwierigen Situationen und fördert das Verständnis zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Sein Ansatz ist einfühlsam und zielgerichtet, wobei er besonders darauf achtet, Menschen zu motivieren und ihre Stärken zu fördern.

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