Vertrauensaufbau bei männlichen Jugendlichen mit Fluchthintergrund 🤝🧠

Zwischen Misstrauen, Masken und Mut 🧳🧱

„Warum soll ich dir vertrauen?“
Viele männliche Jugendliche mit Fluchthintergrund wirken im ersten Kontakt verschlossen, cool oder provokant. Manche reagieren gar nicht, andere werden auffällig. Und doch: hinter der scheinbaren Ablehnung oder Gleichgültigkeit steckt oft ein komplexes Geflecht aus Angst, Misstrauen, Scham und Unsicherheit.

Vertrauen aufzubauen ist bei dieser Zielgruppe kein Sprint, sondern ein Marathon. Es braucht Zeit, Präsenz, Authentizität und eine klare Haltung – und manchmal auch die Fähigkeit, Worte durch Handlungen zu ersetzen.

👉 In diesem Artikel erfährst du, wie du als Fachkraft echten Vertrauensaufbau bei jungen geflüchteten Männern gelingen lassen kannst – traumasensibel, kulturbewusst und beziehungsorientiert.

Wer „nichts zeigt“, schützt sich oft selbst 😶🛡️

Männliche Jugendliche mit Fluchthintergrund haben oft mehrere Belastungen gleichzeitig erfahren:

BelastungWirkung auf das Verhalten
🧳 Gewalterfahrungen (Krieg, Flucht, Verlust)Hypervigilanz, Rückzug, Aggression
💬 SprachbarrierenMissverständnisse, Schweigen, „Nicht-Verstehen“
👨‍👩‍👧 Trennungen von FamilieBindungsstörungen, Verlustangst
🧱 Machtsysteme im HerkunftslandMisstrauen gegenüber Autorität
🧔 Kulturelle MännlichkeitsbilderGefühlsunterdrückung, Härte als Schutz
🧑‍⚖️ Ablehnung im AsylsystemGefühl von Ausgrenzung, Wut auf „Deutschland“

💡 Wichtig: Was wie Respektlosigkeit wirkt, ist oft Selbstschutz.
Verweigerung ist Beziehungssprache.

Was Vertrauen für diese Jugendlichen bedeutet

Vertrauen ist nicht automatisch da – es muss verdient, bewahrt und gepflegt werden.

In westlicher FachlogikIn der Realität vieler Jugendlicher
Vertrauen = Beziehung auf AugenhöheVertrauen = Sicherheit, Klarheit, Loyalität
Nähe entsteht durch GesprächNähe entsteht durch Tun, Präsenz, Standhaftigkeit
Grenzen setzen heißt Verantwortung zeigenGrenzen setzen wird erst als Vertrauen gewertet, wenn sie konsistent sind
Offenheit = StärkeOffenheit = Gefahr, Gesichtsverlust

💡 👉 Vertraut wird denen, die bleiben – auch wenn’s schwierig wird.

7 Prinzipien für den Vertrauensaufbau bei männlichen Geflüchteten 🧭🧑‍🤝‍🧑

🟢 1. Verlässlichkeit > Worte

Sei berechenbar. Halte Zusagen ein – auch kleine.

📌 Beispiel: „Wenn du sagst, du bist um 16 Uhr da – sei da. Wenn du es nicht schaffst, erklär warum. Erkläre ALLES.“

🟡 2. Klarheit > Weichheit

Klar reden. Keine Spielchen. Kein Drumherum.

📌 Beispiel: „Sag, was du tust – und tu, was du sagst.“
Junge Männer brauchen klare Rollenbilder, nicht „nett gemeinte Schwammigkeit“.

🔵 3. Geduld > Erwartungen

Vertrauen braucht Zeit – oft mehr, als du willst.

📌 Beobachte kleine Zeichen:

  • Wird Augenkontakt gehalten?

  • Kommt er trotzdem wieder, auch wenn er nichts sagt?

  • Bleibt er sitzen, obwohl er still ist?

💬 Diese Momente sind oft mehr wert als ein Gespräch.

🟣 4. Authentizität > Professionalismus

Zeig dich – auch mit deinen Ecken.

📌 Beispiel: „Ich bin nicht perfekt. Aber ich bin ehrlich. Und ich bin da.“
👉 Jugendliche spüren authentische vs. funktionale Präsenz sofort.

🔴 5. Handlungen > Worte

Mach was – nicht nur reden.

📌 Ideen:

  • Gemeinsames Kochen

  • Tischtennis spielen

  • Fahrräder reparieren

  • Musik hören

  • Video schneiden

🧠 „Nebenbei“ entstehen oft die besten Gespräche.

🟤 6. Konfliktfähigkeit > Harmonie

Sag, wenn’s zu viel ist – aber ohne Ablehnung.

📌 Beispiel:

„Ich will, dass du hier bist. Aber du kannst nicht rumschreien – wir finden andere Wege, wenn du wütend bist.“

📌 Oder:

„Ich sehe deine Wut – aber so kannst du sie hier nicht rauslassen. Ich bleib da, trotzdem.“

⚪ 7. Loyalität > Schnelligkeit

Vertraut wird denen, die nicht sofort aufgeben – auch bei schwierigen Phasen.

📌 Auch nach Konflikten: Bleib sichtbar. Mach einen Schritt auf ihn zu.
Selbst wenn der/die Jugendliche sagt:

„Verpiss dich.“
Dann antworte ruhig:
„Ich bin nächste Woche wieder da.“

Gesprächsstrategien, die wirken – auch wenn’s keine Gespräche gibt 🎯🗣️

🧏 Frag statt erklär:

StattBesser
„Du musst darüber reden.“ ❌„Willst du erzählen, wie’s dir gerade geht – oder lieber schweigen?“ ✅
„Warum bist du so?“ ❌„Was war das Letzte, das dich echt wütend gemacht hat?“ ✅
„Du musst dich ändern.“ ❌„Was brauchst du, damit du dich sicherer fühlst?“ ✅

🗯️ Umgang mit Provokation:

ProvokationMögliche Reaktion
„Deutschland ist scheiße.“„Was hat dich so enttäuscht?“
„Ich hau gleich ab!“„Was müsste sich ändern, damit du bleibst?“
„Ich hasse alle hier.“„Ich bleibe ruhig – aber ich will verstehen, was dich so wütend macht.“

Was tun bei Rückzug, Abwehr oder Grenzüberschreitung? 🚪⛔

Rückzug:

  • Bleib erreichbar

  • Mach Angebote ohne Erwartungsdruck

  • Halte Sichtkontakt, ohne zu bedrängen

  • Wiederhole Rituale (z. B. wöchentlicher Gruß, gemeinsamer Tee)

Grenzüberschreitung:

  • Klare Grenze: „Stopp – so geht das nicht.“

  • Erklärung: „Ich will dich nicht verlieren – aber ich muss deutlich sein.“

  • Reflexion: Später gemeinsam besprechen, ohne Bestrafung

💡 Wichtig: Nicht in Co-Abhängigkeit oder Überverantwortung rutschen.

Reflexion: Was macht das mit dir?

Frage dich regelmäßig:

  • 🔄 Wo gebe ich zu viel – aus dem Wunsch, gemocht zu werden?

  • 🧱 Wo verschließe ich mich – aus Angst vor Nähe?

  • ⚖️ Wo brauche ich Unterstützung – z. B. Supervision oder Teamrückhalt?

  • 🔍 Sehe ich den Menschen – oder seine Strategie?

  • 🧠 Habe ich ihn aufgegeben, bevor er mich eingelassen hat?

Vertrauen entsteht dort, wo jemand bleibt, wenn es schwierig wird 🌉🤲

Männliche Jugendliche mit Fluchthintergrund haben oft erlebt, dass Beziehungen abbrechen, dass Erwachsene über sie entscheiden, dass Vertrauen missbraucht wurde.

Deine Aufgabe ist nicht, Vertrauen zu fordern.
Deine Aufgabe ist, einen sicheren Ort anzubieten, Grenzen zu halten, Verlässlichkeit zu leben – und nicht aufzugeben, auch wenn du zurückgewiesen wirst.

Denn irgendwann sagen sie vielleicht nicht „Danke“.
Aber sie setzen sich wieder neben dich.
Und das ist Vertrauen – auf ihre Weise.

✅ Auf den Punkt gebracht:

✔️ Männliche Jugendliche mit Fluchterfahrung zeigen oft Schutzverhalten statt Offenheit
✔️ Vertrauen wächst durch Verlässlichkeit, Handlung, Präsenz und Klarheit
✔️ Provokationen sind Beziehungstests – bleib ruhig und zugewandt
✔️ Reaktionen auf Rückzug oder Wut sollten Grenzen wahren, aber Bindung ermöglichen
✔️ Selbstreflexion und Geduld sind Schlüsselkompetenzen in der Begleitung

Matthias Böhm
Matthias Böhm
Matthias engagiert sich in der sozialen Integration, unterstützt Menschen in schwierigen Situationen und fördert das Verständnis zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Sein Ansatz ist einfühlsam und zielgerichtet, wobei er besonders darauf achtet, Menschen zu motivieren und ihre Stärken zu fördern.

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